Eröffnungen / Eröffnungsreden
Eröffnungen / Eröffnungsreden
Erst mal sieht man zwei Themen – abstrakte, gegenstandslos wirkende
Bilder auf der einen Seite, Landschaften auf der anderen. Ob dies wirklich zwei verschiedene Themen sind, davon wird noch zu reden sein.
Fängt man bei den früheren Arbeiten an, so sieht man dort ziemlich ein-
deutig, dass es sich um Landschaften handelt. Gerhard Losemann ist ein Maler, der es versteht mit Pinsel und Farbe umzugehen. Man kann – für viele ist das wichtig – etwas erkennen und über die Kunstfertigkeit staunen. Aber Gerhard Losemann belässt es nicht dabei, dass seine Landschaften gemalte Abbilder gesehener und oder real denkbare Ausschnitte unserer dreidimensionalen Lebenswelt sind. Er geht grundsätzlich einen Schritt weiter, er fügt quasi eine 2. Realitätsebene ein. Am Anfang wird der Einfluss der Objektkunst und in Assemblage-artigen Werken spürbar. Der begrenzte viereckige Bildraum wird überwunden. Malerei ist nicht nur Pinselarbeit: Die Leinwand wird geschlitzt, aufgeklappt, Dinge – oft technische Kleinteile – werden eingeklebt, unterlegt. Raster und andere Strukturen werden auf die Oberfläche aufgesetzt oder per Airbrush aufgesprüht. Die Erweiterung des Bildes über den Rahmen hinaus wird nicht nur gedacht, sondern gemacht!
Oft scheinen die Landschaften von der Technik bedrängt (Silber, Raster),
überdeckt, „zugewuchert“ (dabei ist ja eigentlich die Natur, die wuchert).
Natur erscheint als bedroht und eingeengt. Damit bezieht der Künstler auch Stellung gegen eine gesellschaftlich bedingte Entwicklung, die er beobachtete und- man denkt dies eigentlich – fürchtet. (70er Jahre Beginn der Umweltschutzbewegung).
Aber da ist noch ein zweites Ich im Künstler, das es zu entdecken gilt.
Blicken wir einmal auf ein Selbstportrait. Es handelt sich um eine Druck-
grafik. Auch in dieser Gattung, vor allem in der Technik des Siebdrucks,
zeigt sich der Künstler souverän und experimentierfreudig.
Der Blick des Künstlers begegnet uns auf einer spiegelnden Folie. Leicht
zu fassen ist das Antlitz nicht, denn wenn sich der Betrachter bewegt,
dann findet der Wechsel statt zwischen Hell und Dunkel, zwischen Positiv und Negativ. Das Selbstportrait „kipp um“ (Vexierbild). Obwohl es ein und dasselbe ist, weiß das Auge den Sinnesreiz nicht eindeutig zu fassen. Soll uns das sagen, dass der Künstler selbst auch in der Lage ist, vom einen Moment auf den anderen „umzuschlagen“ in eine andere Persönlichkeit?
A. Benedict, Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg, 2008
Bilder sind die Speicher für Ideen, für Gedanken, für Zeitimpulse. Wir sehen sie und nehmen sie wahr als Zeichen der Mitteilung: Mensch spricht zu Mensch. Das „Fleisch“ der Kommunikation kann in verschiedenen Medien übersetzt werden. Eines davon ist die digitale, am PC und am Scanner vorgenommene Motiv-Information. Die dialogische Verständigung am Ausgang des 20. und am Beginn des 21. Jahrhunderts läuft inzwischen als „mainstream“ über dieses Netzsystem.
... Losemann beschreitet seit einigen Jahren diesen Weg. Der PC bleibt Medium, nicht mehr, aber auch nicht weniger. ... man muss sich zunächst den Eigenheiten der Losemannschen Bildsprache zuwenden. Es sind Landschaften, Vegetationsformen, Erfahrungen von sozialen Begrenzungen, Markierungen von Lebenssituationen und Bedrohungen, die diesen Künstler in seinem umfangreichen Schaffen immer wieder fesseln.
... Informel zitiert er, um realistische Räume zu verlassen,
... der Bruch von Regeln, Gesetzen und Ritualen wird erlebbar. Das Bild oder die Grafik wird zum geschichteten, über- und verdeckten Farbraum, der nach Öffnung und Belebung schreit. Eingebettet in diese Selbsterfahrung, in der sich der Künstler mitteilt, sind Wirklichkeitschnipsel - vom privaten Umfeld, von geschichtsbewusster Aktualität oder vonTendenzen heutiger Konsum- und Mediengesellschaft. Losemann kann flammende Appelle an uns richten, er kann aber auch introvertiert ins Innere schauen. Meditation und Mahnung bleiben bei ihm keine unüberbrückbaren Gegensätze. Er benötigt für seine Aussagen beide Haltungen.
...Auch Losemann ist ein Wächter. Seine Bilder bewahren die Summe von Überlieferungen der Menschheitsgeschichte. Und zugleich öffnen sie, wachend und wachsend, neue Erlebnis- und Sehfelder. Das Bild wird zum Speicher der individuellen Gedanken, zum Kraftwerk und zum Gedächtnis. Losemann bewegt sich ständig auf der Grenze zwischen Privatheit und Gesellschaftspflicht. Dieses Grenze verliert er auch bei seinen digitalen Bildprozessen - learning by doing - nie aus den Augen. Er bleibt ein beobachtender und sich artikulierender Wächter.
Hinter all diesen Bildern steht ein aufgeklärter Romantiker, der sich die Hoffnung der „blauen Blume“ bewahren will, dass die Zerstörung von Natur und Ressoursen irgendwann ein Ende haben wird, haben muss. Sein Einlassen auf diese Grundforderung und -bedingung macht ihn erfinderisch. Die digetalen Systeme verlässt er eben doch wieder - durch das Medium des Träumens, des hoffens und des Seins, das den Schein weit hinter sich lässt. Er nimmt das 21. Jahr-hundert mit seinen Fortschritten und Unwägbarkeiten an. Losemann behält die künstlerische Befragung unserer Welt, unserer Wirklichkeit in all seinen Arbeiten bei - in den alten wie den neuen. Er ist ein suchender und fragender „Wächter“, der „Vor dem Tor“ (ebenfalls ein Bildtitel) nicht gedanken- und fantasielos verharrt. Jörg Loskill, 2005 (Auszüge)
Die Gemälde aus diesen Jahren beschäftigen sich mehr oder weniger mit
einem Thema, es ist die Auseinandersetzung mit vordergründig abstrakt
wirkenden Vorstellungen wie „Bedrohungen“, „Eruptionen“, „Gefahr“.
Faktisch bedeutet dies neben dem Einbinden privater Erfahrungen, die
das Interesse an einer solchen Themenstellung überhaupt erst entstehen
lassen, die Verarbeitung übergreifender Themen aus Politik, Ökologie, aber auch sehr konkreter Bedrohung wie Tschernobyl. In der kompositio-nellen und malerischen Umsetzung werden einige elementare Mittel ein-
gesetzt und variiert: In einem Koordinatensystem werden Flächen gegen-
einander, aber auch übereinander geschoben, die rechteckig einander
zugeordnet statisch, durch diagonale Verschiebungen dynamisch erscheinen.
Die von klaren Grundschemata Strukturierten Arbeiten erhalten kontras-tierende Spannung durch malerische Verdichtungen innerhalb der zumeist von einer düsteren Palette beherrschten Fläche zu den Rändern hin, aber auch durch den hoch malerischen Einsatz der Farbe Rot in Hinsicht auf Motive, die mit Explosionen, glühender Lava u. ä. verbunden werden können.Der Gegensatz zwischen beruhigter Fläche und
„irrationalen“ eruptiven Motiven, die zwischen, auch hinter den Flächen
erscheinen, gehört in dieser Werkgruppe mit zur Handschrift des Künstlers. In diesem Zusammenhang muß trotz aller Abstraktion durch-
aus von sehr konkreten Assoziationsketten im Werk des Künstlers gesprochen werden. Ein besonders häufig wiederkehrendes Motiv schwarzer und gelber Streifen erinnert an Warnbaken, Warnung vor konkreter Bedrohung. Die in diesem Motiv enthaltenen graphischen Mo-
mente werden z.B. durch Arbeiten, deren Farboberfläche mit dem harten
Ende des Pinsels mit Schraffuren strukturiert werden, ergänzt. Die Erfahrungen aus dem umfangreichen graphischen Werk des Künstlers finden hier den Eingang in seine Malerei.
Dr. B.K. Lepper, Stiftung Wilhelm Lehmbruck Museum Duisburg, 1990
•*1938 in Duisburg
•Ausbildung:
•Wilhelm Wiacker
•Duisburg,
•Folkwangschule Essen,
•Jo. Pieper,
•Kunstschule
•Düsseldorf-Niederkassel,
•Jo Strahn.
•Sprecher der Duisburger Sezession seit 1977
•
•2002 Verleihung der
•Ehrennadel der Stadt Oberhausen
•2004 Verleihung der Bundesverdienstmedaillie
zum Bundesverdienstordens
•Mehrmals Sprecher der Interessengemeinschaft Duisburger Künstler
•sowie mehrmals in den Kulturbeirat der Stadt Duisburg gewählt.